Jetzt feiern wir tatsächlich Konfirmation im Juli. Im Pfarrgarten oder in einer Nachbargemeinde mit einem Corona-Schutzkonzept. Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.
Der Vorstellungsgottesdienst der Konfirmanden war für den 18. März geplant. Alles war vorbereitet, dann kam der Lockdown. Wir feierten zwar noch einen schlichten und schönen Gottesdienst, aber nicht in der großen Runde mit den Konfirmanden.
Ich erinnere mich heute, welche Themen den Konfirmanden damals eingefallen sind. Natürlich spielte Corona eine Rolle. Es ging um Gesundheit, Ängste und immer um die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes. Ein Text stand dabei im Mittelpunkt: Die Geschichte von der Sintflut und der Arche Noahs.
Den Konfirmanden war klar: Wenn wir den Glauben an Gott ernst nehmen, können wir nicht so tun, als ob Gott nichts mit Corona zu tun hätte. Menschen früherer Zeiten hätten die Pandemie sicher als Strafe Gottes begriffen. Das entspricht nicht mehr unserem Denken. Aber umgekehrt wird auch kein Schuh daraus: Ist Corona ein Unfall? Warum lässt Gott es dann zu?
Es lohnt sich, noch einmal die alte Geschichte zu lesen. Sie trägt ja uralte menschliche Erfahrung mit Naturkatastrophen in sich.
Es beginnt damit, „dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar.“ Darum entscheidet Gott, es wäre besser, wenn es den Menschen nicht gäbe. Mich überrascht die Parallele zu Einsichten unserer Zeit: Sagen nicht auch Biologen und Klimaforscher: Die Natur kann gut ohne den Menschen, aber der Mensch nicht ohne sie.
Die Katastrophe kommt, sie wird als Strafe gedeutet. Aber das Ziel der Erzählung ist nicht Angst vor Gott, sondern Hoffnung. Es gibt eben doch Einzelne, die Gutes tun und Planen. Noah baut mit seiner Familie das Rettungsfloß.
Und am Ende steht der Regenbogen. Ein Symbol der Hoffnung, das man in dieser Zeit an vielen Häusern sehen konnte. Eltern haben es mit ihren Kindern gemalt und aufgehängt: Alles wird gut - Wir denken an euch.
In der Bibel verspricht Gott nach der Sintflut: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Was mich überrascht ist die Begründung: „denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Gott liebt uns Menschen, so wie wir sind. Er hat immer noch Hoffnung für seine Welt.
Aber natürlich wünscht sich Gott, dass die Menschen aus der Katastrophe lernen. Und ich merke heute, dass viele Menschen sich das auch wünschen. Corona, der Lockdown, der Weg der Pandemie scheint ja wie ein grelles Licht in viele Bereiche unserer Gesellschaft hinein, wo etwas nicht in Ordnung ist. Viele sehnen sich nach Veränderung:
Das Weltklima kann nur zu seiner Balance zurückkehren, wenn der globale Treibhausausstoß massiv zurückgefahren wird. Immer wurde behauptet: Das geht nicht. Auf einmal ging es doch.
- Wir haben Berufe schätzen gelernt, die nicht so viel Prestige hatten: Krankenpfleger, Altenpfleger, Reinigungskräfte, Paketzusteller, Verkäuferinnen, Kindergärtnerinnen - ohne sie könnten wir in der Krise nicht bestehen.
- Staaten mit Zwei-Klassen-Gesundheitssystemen, wo optimaler Gesundheitsschutz nur für Reiche da ist, bekommen die Quittung.
- Endlich kommt an die Öffentlichkeit, wie für billiges Fleisch osteuropäische Arbeiter ausgebeutet werden.
- Familien haben ihr beim Homeschooling ihr bestes gegeben, Kinder haben gezeigt, was sie können.
Natürlich gab es auch das Gegenteil: In mancher Ehe lagen die Nerven blank. Für bestimmte Berufsgruppen war es sehr schwer. Geschäftsmodelle brachen zusammen.
Haben wir etwas daraus gelernt? Mehr Frieden wagen, mehr Einfachheit, das Gespräch, die Begegnung wieder schätzen. Und Menschen in Not nicht vergessen.
Ich wünsche mir, dass dieser Sommer ein Wendepunkt in unserem Bewusstsein wird. Dass uns der Regenbogen ein Auftrag bleibt: Gott traut uns etwas zu, er vertraut uns seine Welt an, unseren Mitmenschen. Lasst uns leben als Gottes Kinder.
Otto Guggemos