Wir waren mal mit dem Fahrrad unterwegs, Jungs, hatten noch keinen Führerschein, da war Fahrrad das günstigste, denn wir wollten nach England. Irgendwo hinter Köln, machten wir in einem Stadtpark halt. Straßenstaub und Nächte im Zelt hatten schon ihre Spuren hinterlassen und wir machten auf einer Parkbank Brotzeit. Da kamen zwei Gestalten, offensichtlich Obdachlose, auf der Walze, die sahen uns wohl als zu den Ihrigen gehörig und mussten uns eine wunderbare Nachricht erzählen: „Dort vorne, bei der Diakonie gibt’s drei Mark – geschenkt! Ihr müsst nur hingehen.“ Die Begeisterung ließ gar nicht nach. Sie hatten gerade ein Geschenk bekommen und sie waren so froh, dass sie gar nicht aufhören konnten, davon zu erzählen. Als sie erfuhren, dass wir auf dem Weg nach England waren, erzählten sie uns noch, wie man dort im deutschen Konsulat finanzielle Unterstützung ergattern konnte.
Wir waren amüsiert – und fasziniert von ihrer Begeisterung.
Wenn ich den heutigen Predigttext lese, dann fällt mir dieses Erlebnis ein – „ihr werdet meine Zeugen sein.“ Zeugen, das sind Leute, die eine Erfahrung gemacht haben, und die davon erzählen. Bei der Himmelfahrt gibt Jesus nicht den Auftrag: „Bezeugt mein Wort, setzt euch ein für meine Sache“, sondern er stellt einfach fest: „Ihr werdet meine Zeugen sein.“ Das wird so sein. Nach allem, was ihr mit mir erlebt habt, werdet ihr meine Zeugen sein.
Und so ist es ja dann auch gekommen, nachzulesen in den folgenden Kapiteln der Apostelgeschichte des Lukas
Ich merke dass das heute nicht anders ist. Wir sind seine Zeugen. Die Oma, die in die Kirche geht und vielleicht mal den Enkel mit zum Kindergottesdienst schleppt, sie bezeugt, wo Glaube, Liebe, Hoffnung in ihrem Leben herkommt. Christen kümmern sich um Geflüchtete und bezeugen so die Liebe Christi – und zeigen, was unsere Werte eigentlich wert sind.
Wir sind seine Zeugen. Leider gilt das auch andersherum. Wenn ein Christ sich daneben benimmt, wenn ein Kirchenmann Geld verschleudert, oder wenn ein Frommer unfair zu seinem Mitmenschen ist, dann prägt auch das die Wahrnehmung der Kirche in der Öffentlichkeit. Viele Menschen schauen nicht in die Bibel, wenn sie sich ein Bild machen wollen über Gott, sondern sie schauen wie die Gläubigen leben – positiv oder negativ – wir sind Seine Zeugen.
Das kann dann schon auch verunsichern. Bin ich dem überhaupt gewachsen? Was bin ich denn schon für ein Zeuge? Nun ja, darum hat Jesus noch eine Verheißung für seine Jünger: Ihr werdet die Kraft aus der Höhe bekommen. Den Heiligen Geist, die „Sprenkraft“ (griechisch dynamis) Gottes.
Der Heilige Geist ist ja die dritte Person der Trinität: Vater (Gott über uns) Sohn (Gott mit uns) und Heiliger Geist (Gott in uns) sind eins. Das ist christlicher Gottesglaube. Und das verspricht Jesus seinen Leuten: Ich will in Euch wohnen, durch meinen Geist. Er ist die Sprengkraft in Euch, die Mauern überwindet, Fesseln der Angst aufsprengt, das Licht in der Nacht der Depression, ein liebevolles Herz wo Hass regiert.
Jesus ist König – darum geht es ja an Christi Himmelfahrt: Aufgefahren gen Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes des Vaters. Er ist der Herr, überall mit uns, so nah wie der Himmel über uns, nur ein Gebet von meinem Herzen entfernt.
Aber wie komme ich dazu, dass Gottes Geist bei mir einzieht und mein Zeugnis gut wird? Ich schau noch mal rein in meine Bibel: Was haben die Jünger gemacht, als der Heilige Geist kam? – Natürlich: Die haben Pfingsten gefeiert! Liebe Gemeinde. Heute sind es noch zehn Tage bis Pfingsten. Sehen wir uns da wieder? Ich glaube, dass es darauf ankommt: Die Jünger blieben beisammen. Sie hatten ein Zimmer in Jerusalem, dort wo auch das Abendmahl gefeiert war, an jenem letzten Abend vor dem schrecklichen Karfreitag. Dort trafen sie sich. Eigentlich dauernd. Oder sie waren zusammen unterwegs, auf den alten Wegen, die sie mit Jesus gegangen waren. Sinnierten, Meditierten, tauschten sich aus. Lasen die Bibel, beteten und sangen miteinander.
Sangen und aßen: „Das tut zu meinem Gedächtnis“ – hat Jesus beim letzten Abendmahl gesagt. Das haben sie beherzigt, und die Gemeinschaft gepflegt: kontinuierlich, persönlich, ganzheitlich.
Wissen Sie, ich denke, oft scheitert es in unseren Gemeinden daran, dass diese Kleingruppen fehlen, wo es persönlich wird. Ganzheitliche kleine Gruppen, wo jeder jeden kennt. Diese kleinen Zellen sind für die große Kirche so notwendig wie die Zellen in unserem Körper. Nur wenn die Zellen lebendig sind, kommt auch der ganze Körper in Bewegung.
Wo unser ganzes Leben im Licht von Gottes Wort zum Thema werden kann. Wo man verlässlich Menschen trifft, die man gut kennt, wo Vertrautheit ist, gemeinsames Hören auf Gott und Feiern. Die Jünger damals haben sich das gegönnt. Wer nur gelegentlich zum Gottesdienst kommt, wird das nicht finden. Dazu braucht es Verlässlichkeit.
Da geschehen Erfahrungen mit Gott, die uns zu Zeugen werden lassen. Wenn etwa ein Kreis sich um Bedürftige kümmert, oder sich ein Aha-Erlebnis einstellt. Bei einem Treffen kurz nach der Konfirmation wurde darüber gesprochen, wo und wie einzelne Gott erlebt haben. Da hat ein Mädchen erzählt: Hier in der christlichen Gemeinde erlebe ich Menschen, die mich sehen – mich, wie ich bin und so annehmen. Wenn das mal kein Zeugnis ist für den lebendigen Gott!
Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem, in ganz Judäa, in Samarien und bis an das Ende der Erde. Eine merkwürdig verkürzte Perspektive, was die Örtlichkeiten angeht, das ist wie wenn einer sagt: in Bayreuth, in Oberfranken, in der Oberpfalz und bis nach China.
Ich will ihnen zum Schluss eine Geschichte erzählen, in der ich erlebt habe, wie einfach das ist. Ich war ja als Student in der SMD, da hatten wir einen Büchertisch vor der Mensa. Christliche Bücher und Bibeln, manche zu verkaufen, manche zu verschenken, so stand ich mittags da, und manchmal blieb jemand stehen und schaute sich die Sachen an. Einmal kam ein Iraner und fragte nach einer Bibel. Ich hatte eine persische Bibel und zeigte sie ihm. Nachdem die Missverständnisse ausgeräumt waren (ich konnte ja in der Bibel kein Wort lesen – und er wusste nicht, dass das „Buch von Jesus“, das er suchte erst der zweite Teil dieser Bibel ist) kaufte er die Bibel. Ich stelle mir vor, dass er sie nach seinem Auslandsstudium mit nach Hause genommen hat. Ich habe nichts mehr von ihm gehört, aber aus Geschichten, die man aus der muslimischen Welt hört, kann ich mir vorstellen, dass sie dazu beigetragen hat, manches Vorurteil über den christlichen Glauben in der totalitär-islamistischen Welt des Iran zu überwinden. So bin ich Zeuge geworden in Erlangen – und bis in den Iran. Und das war gar nicht so schwierig.
In diesem Sinne wünsche ich ein gesegnetes Pfingstfest: Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und ihr werdet Zeugen Jesu Christi sein.
Otto Guggemos, an Christi Himmelfahrt, 5. Mai 2016
…und hier noch der Predigttext, mit ein paar Versen davor und danach, damit man’s besser versteht:
Apg 1,1 Den ersten Bericht habe ich gegeben, lieber Theophilus, von all dem, was Jesus von Anfang an tat und lehrte
2 bis zu dem Tag, an dem er aufgenommen wurde, nachdem er den Aposteln, die er erwählt hatte, durch den Heiligen Geist Weisung gegeben hatte.
3 Ihnen zeigte er sich nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes.
4 Und als er mit ihnen zusammen war, befahl er ihnen, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern zu warten auf die Verheißung des Vaters, die ihr, so sprach er, von mir gehört habt;
5 denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen.
6 Die nun zusammengekommen waren, fragten ihn und sprachen: Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel?
7 Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat;
8 aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.
9 Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg.
10 Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern.
11 Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.
12 Da kehrten sie nach Jerusalem zurück von dem Berg, der heißt Ölberg und liegt nahe bei Jerusalem, einen Sabbatweg entfernt.
13 Und als sie hineinkamen, stiegen sie hinauf in das Obergemach des Hauses, wo sie sich aufzuhalten pflegten: Petrus, Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon der Zelot und Judas, der Sohn des Jakobus.
14 Diese alle waren stets beieinander einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern.